14.10.2025
Doppelabend des JvFG im Langhaussaal Cham
Der Dornröschenschlaf ist eine Metapher für einen Zustand langer Untätigkeit, Inaktivität oder eines längeren Verborgenseins. Er beschreibt eine Situation, in der etwas ruht, nicht genutzt wird oder keine Fortschritte macht. – Zwar waren die 18 Spielerinnen und Spieler der Dornröschen-Gruppe des JvFG auf der Bühne alles andere als untätig, aber Fortschritte macht diese Theaterprobe, um die es sich im „Dornröschen-Projekt”, dem ersten Teil des Doppelabends des FraunHOFtheaters, dreht, wahrlich nicht. Die Zuschauerinnen und Zuschauer wohnten dem Probenprozess bei, der allen Beteiligten viel Nervenstärke abverlangte. Ständig wurde unterbrochen, denn die einen fanden den Text zu unlogisch (Warum muss ein Prinz Dornröschen überhaupt wachküssen, wenn sie laut dem Fluch doch automatisch nach 100 Jahren aufwachen würde? Und warum ist sie dann überhaupt nicht gealtert?), andere fanden es generell schwierig: „Sollte man eine Frau nicht fragen, ob man sie küssen darf? Eine Frau im Schlaf zu küssen, find ich schwierig.” Letztendlich verwundert es niemanden im Saal, dass wenige Stunden vor der Premiere die Regisseurin beschließt, für ihre Theatertruppe doch noch ein anderes Märchen zu finden. Die Entscheidung fällt auf die Prinzessin auf der Erbse, was den Doktor aus dem Stück Woyzeck auf den Plan ruft.
Woyzeck ist prekär beschäftigt, er verrichtet buchstäblich monotone Sisyphos-Arbeit. Sein geringes Einkommen und seine soziale Notlage kompensiert er, indem er niedere Dienste für Frau Hauptmann, die Chefin der Erbsenprodukt-Firma, übernimmt und seinen Körper wissenschaftlichen Ernährungsexperimenten zur Verfügung stellt. Denn Woyzeck will nicht nur den Lebensunterhalt für sich, sondern auch für seine Freundin Marie und ihr gemeinsames, uneheliches Kind sicherstellen. Als Woyzeck Anhaltspunkte erhält, dass seine Freundin einen anderen Mann trifft, sogar eine sexuelle Beziehung zu diesem unterhält, ist sein Denken bestimmt von Eifersucht, Aggression und der Vorstellung, Maries Leben auslöschen zu müssen. Stimmen aus der Wand ermahnen ihn regelmäßig: Stich, stich die Zickwolfin tot.
Soweit die nacherzählbare Geschichte um Woyzeck, eine historisch belegte Figur, die Georg Büchner in seinem Dramenfragment verewigt. Von dem Stück gibt es insgesamt 31 Szenen, die vier Entwürfen zugeordnet werden können.
Verlässliche Informationen darüber, wie Büchner die Szenen anordnen wollte, gibt es nicht. Weder sind diese nummeriert, noch gibt es Seitenzahlen. „Woyzeck“ zu inszenieren bedeutet deswegen auch immer, den Textbestand neu zu gestalten.
Sein Dramenfragment
ist von der Modellhaftigkeit juristischer und medizinischer
Fallgeschichten geprägt. Dies war für die Woyzeck-Gruppe der
Impuls, aus dem offenen ein analytisches Drama zu machen: Das
Verbrechen steht am Anfang, und in umgekehrter Abfolge der Szenen
wird untersucht, wie es dazu kommen konnte. Schnell stellt sich
heraus: Hier liegt ein System aus Abhängigkeiten, Hierarchien und
Gewalt vor, die Woyzeck zur unfassbaren Tat befähigen. Es zeigt sich
aber auch: Das Stück zeichnet keinesfalls eine stringente
Abwärtsspirale, in der sich der Protagonist befindet, sondern es
zeigt vielmehr den Punkt der größten Spannung, in dem alles
kulminiert.
Ein Stückchen Hoffnung liefert der Abend dennoch.
Denn im Schlussteil erscheint der einzige Fremdtext: Das
Sterntaler-Märchen im Original als Kontrapunkt zu Büchners
nihilistischem Weltbild. Woyzeck wird von der Bühne geführt, die
Gesellschaft, die ihn kaputtgemacht hat, geht kaputt.
Und damit ging der erste Doppelabend des FraunHOFtheaters zu Ende, der mit großem Applaus belohnt wurde. Die Umsetzung war nur möglich durch die Zusammenarbeit eines großen Teams rund um Theaterlehrerin Eva-Maria Schwarzfischer, aber auch die finanzielle Unterstützung der FRAUNHOFER-Freunde, des Fördervereins des JvFG, sowie die Großzügigkeit der Stadt Cham, die wieder den Langhaussaal zur Verfügung gestellt hat und deren Mitarbeiterinnen den zwei Theatergruppen mit Rat und Tat zur Seite standen, sind große Stützen für dieses ambitionierte Projekt gewesen.
Joseph-von-Fraunhofer-Gymnasium
Naturwissenschaftlich-technologisches und
Sprachliches Gymnasium
Dr.-Muggenthaler-Straße 32
93413 Cham
Sekretariat:
Telefon: +49 (0)9971/31083
Fax: +49(0)9971/3108555
E-Mail: verwaltung@jvfg-cham.de
Öffnungszeiten des Sekretariats:
Bankverbindung:
Copyright © Joseph-von-Fraunhofer-Gymnasium Cham